Der Lektor macht ein gutes Buch noch besser

Ein Manuskript Korrektur lesen zu lassen, bevor man es als E-Book hochlädt, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Schon allein um schlechte Rezensionen zu vermeiden, die das Buch wegen zu vieler Fehler als unlesbar bezeichnen. Aber auch aus Höflichkeit und Respekt dem Leser – dem Kunden – gegenüber. Denn wenn niemand das Buch kauft, waren die vielen Mühen des Schreibens umsonst. Für Sachbuchautoren gilt das besonders: Ein Leser, der auf jeder Seite auf Rechtschreibfehler stößt, verliert das Vertrauen in die Kompetenz des Autors und traut ihm schließlich auch auf seinem Fachgebiet nicht mehr zu, ein Experte zu sein.

Das Lektorat geht über das reine Korrektorat hinaus. Aber brauche ich überhaupt ein Lektorat? Was kann denn ein Lektor, was ich nicht kann, fragen mich Indie-Autoren, die ihre Bücher von mehreren Testlesern Probe lesen ließen, Verbesserungsvorschläge eingearbeitet und viele Rechtschreibfehler schon ausgemerzt haben. Neulich habe ich ein solches Manuskript auf dem Schreibtisch gehabt. Ein Feuerwerk an Ideen, und es waren auch kaum noch Kommafehler drin.  Aber: “Ich bin am Anfang irgendwie nicht reingekommen …”, hatten ein paar ehrliche Testleser zugegeben. Ob sie es überhaupt bis zum Ende gelesen haben? Die Frage ist berechtigt, denn leider war der Roman schon auf den ersten Seiten kein bisschen spannend.

“Gute Idee, schlecht umgesetzt. Schade, das hätte ja ein richtig gutes Buch werden können …”

So ein Roman wird negative Rezensionen in dieser Art bekommen – wenn überhaupt welche. Denn die meisten Leser werden ja schon durch einen Blick in die Leseprobe abgeschreckt und kaufen das Buch erst gar nicht. Das Ideenfeuerwerk ist verpufft. In diesem Fall lag es unter anderem an der Erzählperspektive, die den Leser nicht nah genug an den Protagonisten herankommen ließ. Und an der Tatsache, dass der Autor viel zu sehr im Rückblick über bestimmte Ereignisse berichtet, anstatt die Figuren selbst auftreten zu lassen, um sich live vorzustellen. “Show, don’t tell” lautet das Prinzip, das jeder Autor verinnerlicht haben sollte.

Der Autor war mir sehr dankbar, dass ich ihn auf die grundlegenden Schwächen in seinem Erzählstil hingewiesen habe, denn er plant, eine Romanreihe herauszugeben. Wenn da gleich der erste Teil einer Serie den Leser nicht packt … Die hilfreichsten Testleser haben zwar noch benennen können, dass etwas an dem Romananfang nicht stimmt, nicht aber, woran es liegt und schon gar nicht, was man jetzt ändern müsste, um den durchhängenden Spannungsbogen zu straffen. Das aber kann der Lektor. Ein Autor ist oft betriebsblind. Er will etwas ausdrücken, weiß aber nicht, ob das Geschriebene auch so wirkt, wie er es beabsichtigt hat. Der Lektor kann ihm widerspiegeln, was wirklich beim Leser ankommt und was nicht. Und warum. Der Lektor streicht beherzt nicht nur überflüssige Adjektive, sondern auch die Lieblingsstellen des Autors, wenn sie zu langatmig oder der Geschichte nicht dienlich sind, macht Übergänge geschmeidiger oder auch rasanter. Er macht Vorschläge, wie auch aus einer Nebenhandlung noch mehr Funken zu schlagen sind, wie zum Beispiel das Potential einer Liebesgeschichte in einem Krimi ausgereizt werden kann, wie umgekehrt eine Enthüllungsdramaturgie in der Liebesgeschichte Spannung erzeugt. Der Lektor macht ein gutes Buch noch besser.

“Wie schaffe ich es bloß, so eine geniale und dramaturgisch dichte Story zu schreiben wie in diesen perfekten amerikanischen Fernsehserien?”

Das wurde neulich in einem Autorenforum gefragt. Tatsache ist, dass es im Filmbereich üblich ist, dass manchmal mehrere Autoren an einem Drehbuch arbeiten, dass das Buch in vielen Fassungen immer wieder überarbeitet wird und dass ein “Scriptdoctor” in dramaturgischen Fragen zu Rate gezogen wird. In der Literatur dagegen geht man noch viel zu stark davon aus, dass der Autor einsam in seinem Kämmerlein vom göttlichen Funken der Inspiration getroffen wird und danach eifersüchtig über jede geniale Silbe seiner Schöpfung wacht. Gerade unter den Selfpublishern herrscht oft die Meinung vor, dass man alles alleine machen muss.

Wieso aber sollte man nicht vom Wissen und von den Ideen anderer profitieren? Das Zauberwort heißt Teamwork. Und was ist die Zusammenarbeit von Autor und Lektor anderes als Teamwork? Natürlich hat immer der Autor das letzte Wort. Er entscheidet, welche Vorschläge des Lektors er annehmen möchte und welche nicht. Immer öfter allerdings wird er dankbar sein für die Aha-Erlebnisse, die ihm der Blick von außen auf sein Manuskript beschert. Und wenn er erst den Lektor oder die Lektorin seines Vertrauens gefunden hat, wird er an ihr festhalten und sie nicht mehr hergeben wollen.

“Ja, aber ein Lektorat kann ich mir gar nicht leisten!”

Wenn Sie meinen, dass ein Lektorat zu teuer für Sie ist, gibt es die Möglichkeit, zunächst mal nur eine Leseprobe lektorieren zu lassen statt gleich einen ganzen Roman. Vor allem kann es sehr sinnvoll sein, die ersten Kapitel von einem Lektor begutachten zu lassen, bevor man das ganze Buch fertig hat. Denn so kann man sich schon frühzeitig über Probleme und Klippen im Plot und in der Struktur bewusst werden und sich unter Umständen mühsame Umwege ersparen.

 Betrachten Sie das Lektorat als Investition in die Zukunft: Es bringt Ihnen neue Erkenntnisse über Ihr Schreiben, die nicht nur das gerade aktuelle, sondern auch Ihre künftigen Bücher verbessern werden.

Bildmaterial © Elge Kenneweg – http://www.elgekenneweg.ch

Über  ⁄ Dorothea Kenneweg

Dorothea Kenneweg arbeitet als freie Lektorin in Berlin und bietet freischaffend Autorenbetreuung, Korrektorat und Lektorat an. Ihr Schwerpunkt liegt in der Belletristik.

1 Kommentar

  • Antworten
    5. September 2013

    Ein wichtiger „Nebeneffekt“ von Testlesern ist, dass man gleich eine ganze Gruppe von Leuten hat, die das Buch bei Erscheinen schon kennen und ihm in der Regel auch wohlwollend gegenüberstehen, sich manchmal sogar als Teil des Projekts sehen. So bekommt man frühzeitig differenzierte und meist positive Rezensionen. Aber auch Unterstützung bei Marketingaktionen u.ä. Dafür sollte es selbstverständlich sein, dass man für die Hilfe mit einem kostenlosen (signierten) Buch dankt. Ich habe zusätzlich auch immer alle dankend am Ende des Buches erwähnt.