10 Fragen an … Tim Engelau

Tim Engelau, Autor von Ratgebern und Romanen, über die Konflikte des Self-Publishing, das Reisen als Inspirationsquelle und Buchmarketing-Alternativen.

Über Tim Engelau

Ich bin »von Haus aus« Musiker, der schon während des Studiums als Komponist und Produzent sein Geld verdiente und nur selten an der Musikhochschule anzutreffen war. Ohne es bewusst geplant zu haben begann ich auf einer Bank am Stadtparksee eine Kurzgeschichte. Als sie länger wurde nannte ich sie Novelle. Als sie mich komplett mitriss war mir klar, dass ich einen Roman schrieb. Wenig später gestand ich mir ein, dass das Schreiben meine eigentliche Leidenschaft und vielleicht auch mein größtes Talent ist.
Dem Management und den Herausforderungen, die dabei immer zu meistern sind, bin ich aber treu geblieben. Ich habe auch danach noch viele Projekte initiiert und begleitet und versuche in meinem »anderen Beruf« mein Wissen als Berater an Unternehmen und Einzelpersonen weiterzugeben. Die essentiellen Erkenntnisse und Konzepte bündelt mein Ratgeber »Die Freiheit reich zu werden«.

1. Was sind Deine größten Stolpersteine auf dem Erfolgsweg als Autor?

Eines der schwierigen und gleichzeitig schönen und spannenden Dinge ist, dass man als Autor und Verleger in Generalunion alle Fäden in der Hand hält und immer wieder entscheiden muss, welche Aufgaben man in welchem Umfang selbst macht oder sie wann an wen in welchem Umfang abgibt. Man muss jedoch so viele Dinge gleichzeitig machen, manchmal verliert man sich. Erschwerend kommt hinzu, dass ich persönlich die meiste Zeit eigentlich nur schreiben will.

Der wegen zweifelhafter Praktiken entzauberte Erfolgsautor John Locke nennt als Kern von Erfolg, dass man seine Zielgruppe kennen und wissen muss, wie man sie erreichen kann. Das klingt einfach und leuchtet ein, aber die wenigsten wissen am Anfang genau, welche Hebel sie in Bewegung setzen und welche Verpackungen sie wählen müssen, um in der richtigen Weise zu den Lesern durchzudringen.

Marketing ist zudem oft der Gegner der literarisch-künstlerischen Leidenschaft. Geduld ist oft der Schlüssel, aber auch die stößt an Grenzen, wenn die Leidenschaft einen weiterzieht. In diesem Konfliktfeld muss jeder seinen Weg suchen und stößt dabei sicherlich immer wieder auf neue Herausforderungen.

2. Wie sind Deine Buchcover entstanden?

156515doc1416580540Wichtig an einem Cover ist mir, dass es Klasse hat und einen guten und unmittelbaren Eindruck von dem Buch gibt. Es muss dabei auch in den kleinen Vorschauen der Shops funktionieren und generell das Projekt in jeder Form auf einen Blick repräsentieren können. Um das zu erreichen arbeite ich immer mit professionellen Designern, die mich kennen und denen ich voll vertraue. Meistens habe ich eine Idee oder äußere meine Vorstellungen, lasse dann aber die Kreativität des anderen wirken und walten. Ich glaube daran, dass man auch als »Eier legender Wollmilch-Selfpublisher« immer nur einen Teil des Projekts sieht und versteht und man die einzelnen »Gewerke« braucht, um das ganze Potential auszuschöpfen. Natürlich ist das in der Regel ein Budgetproblem. Gute Kontakte zu haben hilft aber oft mehr, als man denkt.

3. Nach welchen Kriterien hast Du Deine Kaufpreise festgelegt?

Preisentscheidungen sind in der Regel psychologisch komplex und aus vielen Gründen schwierig zu treffen. Man argumentiert oft von der Kostenseite und über den Wert eines Gutes, dabei ist es entscheidend, wie viel die Kunden und Leser dafür zu zahlen bereit sind. Meistens wird bei höheren Preisen auf Nischen angespielt oder über den Umfang argumentiert. An meinem Ratgeber, der ja auch eine Nische bedient, habe ich 12 Monate gearbeitet, er ist weit über 200 Seiten lang und aufwändig produziert. Aus dieser Sicht betrachtet hätte ich einen höheren Preis verlangen müssen, aber ich wollte, dass das Buch viele Leser findet. In der Szene gab es die Meinung, dass 2,99 € eine Art »Grenzpreis« ist. Ich habe trotzdem 3,99 € als Preis festgesetzt, verkaufe es derzeit aber zum Aktionspreis von 2,99 €. Diese beiden Preise fühlen sich für mich gut an, obwohl vergleichbare Ratgeber zum Teil wesentlich teurer sind. Für Rabattaktionen sind 99 Cent wahrscheinlich unvermeidlich, aber das ertrage ich nur für eine kurze Dauer.

4. Was tust Du, damit ein Werk von Dir ein Bestseller wird?

Ich mache Preisaktionen auf xtme und anderen Plattformen und hoffe, dass sich das Buch möglichst weit oben festsetzt und z. B. bei Amazon der »Algorithmus« anspringt. Wenn man dort erst eine Sichtbarkeit erreicht hat, geht es leichter. Ohnehin denke ich, dass der Schlüssel zum Erfolg Mundpropaganda ist. In welchem Umfang Facebook und Twitter dazu beitragen, kann ich trotz der vielen Experimente mit Posts und Post-Boosting nicht genau beurteilen. Da gilt wahrscheinlich der Juristensatz: »Es kommt darauf an.«.

5. Unternimmst Du etwas abseits der klassischen Marketing-Aktionen, damit ein Werk von Dir Erfolg hat?

Viele Autoren produzieren mittlerweile Buchtrailer. Ich versuche mich dadurch abzuheben, dass ich bei Konzeption und der Produktion sehr viel Aufwand betreibe. Bei den Romanen mache ich das auch deswegen, um das filmische Potential des Stoffes unter Beweis zu stellen und zu gegebener Zeit eine Diskussion über eine Verfilmung zu führen. Bei einem geplanten Roman denke ich zudem über eine Gemäldeserie nach, um auch in anderen Kunstbereichen ein Thema zu setzen und dem literarischen Stoff eine Sichtbarkeit zu geben. Ich versuche neue Wege zu gehen, die sowohl mir als auch den Lesern Spaß machen und suche auch für die klassischen Marketing-Aktionen neue Herangehensweisen. Z. B. denke ich derzeit über alternative Trailer-Formate nach, weil »einmalige« Youtube-Formate in Bezug auf die Wirkung stark limitiert sind.

Dabei sollte man sich aber klar darüber sein, dass es im Kern um das Buch geht. 300 Facebook-Posts bringen im Zweifel gar nichts, fressen aber enorm viel Zeit, die man auch für Schreiben oder Offline-Netzwerken hätte nutzen können. Es ist aus meiner Sicht eine legitime Option, immer wieder kein klassisches Marketing zu machen und sich stattdessen ganz darauf zu konzentrieren, ein gutes Produkt zu erschaffen.

6. Was wäre Dein wichtigster Tipp für einen neuen Indie-Autor?

Es geht immer wieder auf das eingangs umrissene Konfliktfeld zurück. Sucht Euch Rat und informiert Euch. Inspiriert Euch, lasst Euch aber nicht zu sehr beeinflussen. Niemand kann es allen recht machen. Man braucht Gefühl für die Zielgruppe und Resonanzfähigkeit, aber vor allem braucht man eine starke innere Stimme.

Man muss für andere schreiben und nur für sich. Das ist aus meiner Sicht eine der vielen Paradoxien in dem Leben eines Autors. Und diese Paradoxien sind auch ein Grund dafür, warum man diese Frage kaum relevant beantworten kann. Man lernt, wenn man loslegt. Daher ist vielleicht die beste Empfehlung, sich selbst Fehler zu gestatten und lernen zu wollen. Nie blind vorzupreschen, aber es dennoch nie scheuen, auszuprobieren.

7. Wohin ziehst Du Dich zum Schreiben zurück? Wärst Du bereit, uns Deinen Schreibplatz zu zeigen?

Wenn ich zuhause bin, schreibe ich immer am Schreibtisch. Ich gehe aber alles, was ich schreibe, davor beim Spazierengehen im Kopf durch. Meist schreibe ich dabei schon alles auf Zettel. An manchen Tagen ist das halbe Kapitel fertig, ehe ich den nahen Fluss überhaupt erreicht habe. Ab und an brauchen die Ideen etwas länger.

Generell hilft mir Bewegung dabei, kreativ zu sein, daher schreibe ich am liebsten auf Reisen. Inspiration und Arbeit lassen sich so am besten zusammenbringen. Vor einigen Jahren war ich für die Recherche zu einem Goldgräberroman in den USA. An einem Tag in San Francisco bin ich dabei z. B. ins Hippieviertel Haight Ashbury gefahren, dort herumgelaufen und habe die Gedanken in einem Café mit irren Graffitis und Bambusgarten aufgeschrieben. So lädt man sich an Originalschauplätzen auf und kommt viel herum. Man erlebt Schönes und arbeitet trotzdem effizient.

Schreibplatz_Haight AshburyBeim Schreiben selbst höre ich immer eine bestimmte Playlist, die mich stimuliert und in die richtige Stimmung versetzt. Ich habe mal einen 400-Seiten-Roman mit einer 4-Lieder-Playlist geschrieben. Das bringt einen manchmal an den Rand des Wahnsinns, aber funktioniert als Trigger super.

 

8. Mit welchem Autor würdest Du gern mal zu Abend essen, und was wäre Deine erste Frage?

Am liebsten würde ich erst mit Hemingway durch sein Paris ziehen und dann mit Henry Miller weitermachen. Meine erste Frage bezöge sich auf ihre Lieblingsetablissements. Andere Fragen kann ich gerade nicht gebündelt benennen, es sind zu viele. Alternativ würde ich gerne Sokrates im alten Athen treffen. Fragen würde ich gar nicht stellen, er würde sowieso mit Gegenfragen kontern. Außerdem spreche ich kein griechisch. Aber ich würde ihn dabei beobachten, wie er tatsächlich und ohne Platons Hilfe Dialoge gelenkt und vermeintliches Wissen seziert hat.

9. Welches nächste Projekt hast Du geplant, und was möchtest Du rückblickend anders machen?

In der nächsten Zeit werde ich mich wieder auf Romane fokussieren, dem Ratgebergenre aber auch treu bleiben. Derzeit schwebt mir eine Art »Fortsetzung« von »Die Freiheit reich zu werden« vor, die sich mit strategischen Aspekten beschäftigt und das Thema »Gewinnen« auch aus der spieltheoretischen Perspektive betrachtet und dabei von Schach, über Sun Tse bis Machiavelli Einblicke in die besten Konzepte gibt. Das nächste Mal möchte ich effizienter arbeiten. Ich muss zudem noch genau sortieren, was für mich persönlich interessant und was für möglichst viele Leser spannend ist und definieren, wie viel Zeit das Projekt in dem Portfolio der Möglichkeiten bekommt.

10. Was schätzt Du an XinXii?

An XinXii schätze ich, dass der Bezug zum Team sehr persönlich ist. Ich bekomme immer sofort eine Reaktion und habe das Gefühl, dass das ganze Team mit Herz und Leidenschaft bei der Sache ist. Das gefällt mir sehr.

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Vielen Dank, Tim, für das interessante Interview. Viel Erfolg und Freude auf Deinem Weg als Self-Publisher!

Über  ⁄ Patricia Gentner

Patricia ist im Distributions-Team von XinXii und damit zuständig für die Konvertierung, Validierung und Auslieferung von E-Books. Seit dem Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft beschäftigt sie sich intensiv mit E-Books und digitalen Medien.

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